Unser LSN-Präsident, Wolfgang Hein, äußert sich in dem am 8.12.2023 erschienen HAZ-Artikel (im Anhang nochmal nachzulesen) zur aktuellen Situation im Deutschen Schwimm-Verband (DSV). Hier ruft er insbesondere zu einer Strukturdebatte und einer Diskussion über die Ziele des DSV auf, um eine positive Veränderung herbeizuführen.
Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) steht vor Herausforderungen, darunter rechtlichen Auseinandersetzungen und finanziellen Verpflichtungen. Der Prozess mit dem gekündigten ehemaligen Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow und die damit verbundenen Zahlungen werden voraussichtlich eine sechsstellige Summe erreichen.
Des Weiteren wird auf die finanzielle Einigung mit Thomas Kurschilgen, dem früheren Leistungssportdirektor, eingegangen. Kurschilgen wurden Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen angelastet. Die Gründe für seine fristlose Kündigung wurden inzwischen im Rahmen eines Vergleiches als unbegründet erklärt. Gemeinsam mit den Zahlungen an den ehemaligen Weltklassespringer Jan Hempel sind die Ausgaben für ausstehende Gehaltsforderungen und Schadenersatz sowie Rechtskosten auf ca. 1 Mio. Euro angewachsen. Trotz dieser Situation hebt der Präsident hervor, dass die grundlegende Zahlungsfähigkeit des DSV nicht in Frage stehe. Nach Auffassung von Wolfgang Hein ist ein großer Anteil der Zahlungen durch unbedachtes und vorschnelles Handeln des früheren Vorstandes um Marco Troll entstanden.
Eine weitere Herausforderung stellt die Satzungsänderung dar. Trotz der Tatsache, dass im kommenden Frühjahr drei Vorstände eingesetzt werden sollen, äußert Wolfgang Hein Bedenken. Er ist der Meinung, dass die Satzungsänderung nicht weit genug ginge und plädiert für hauptamtliche Vorstandsmitglieder, um den Schwimmsport professioneller zu gestalten.
Ein weiterer Abstimmungspunkt wird seitens des LSN nicht mitgetragen: Die Lizenzerhöhung um 5 Euro. „So werden die knappen Finanzmittel des DSV einseitig durch die Sportlerinnen und Sportler erwirtschaftet. Das ist weder gerecht noch richtig. Die Verwaltungskosten und Querschnittsaufgaben sind durch alle Verbandsmitglieder zu tragen“, so der LSN-Präsident. Wolfgang Hein betont jedoch, dass ein umfassendes Finanzierungskonzept erst nach einer Aufarbeitung der Verbandsziele sowie Analyse der Finanzstruktur möglich sei. Kritisiert wird auch, dass die von der Mitgliederversammlung eingesetzte Finanzkommission nie getagt hat. Unbestritten unter den Landesverbänden ist, dass der DSV für seine ihm zugdachten Aufgaben mehr Geld benötigt, das aber nicht um jeden Preis!
Kritisch sieht der Präsident auch, dass die neu zu bildende Länderfachkonferenz Sportentwicklung nicht gleichwertig mit dem Leistungssport in der Satzung verankert werden soll. Geplant ist hier, dass dieses Handlungsfeld ausschließlich durch die Landesverbände organisiert wird und daher keine Verankerung, z. B. im Präsidium, haben soll. Davon halten wir in Niedersachsen nichts. Bereits jetzt ist es so, dass sich nur wenige Landesverbände für übergeordnete Dienstleistungen, wie beispielsweise der Bildung, gemeinsam mit anderen Verbänden zusammenarbeiten. „Ohne eine bindende Kraft wird das nichts“, ist sich Wolfgang Hein sicher.
Hier findet ihr den gesamten Zeitungsartikel aus der FAZ (8.12.2023):
“In einem sind sich alle einig: Pleite ist der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) nicht. Das ist die gute Nachricht, bevor sich seine Mitglieder am Samstag in Kassel zu ihrer Versammlung treffen. Und die Zahlungsfähigkeit ist demnach auch nicht gefährdet, wenn fest steht, ob und welche finanziellen Verpflichtungen aus dem Streit mit seinem ehemaligen Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow entstehen. Im Februar 2024 soll der Prozess vor dem Arbeitsgericht Halle fortgesetzt werden. Buschkow war entlassen worden, nachdem Jan Hempel im Sommer 2022 sexuellen Missbrauch durch seinen früheren Trainer über einen Zeitraum von 14 Jahren öffentlich gemacht und Buschkow Mitwisserschaft seit 1997 vorgeworfen hatte. Buschkow bestreitet das, er habe erst am 10. August 2022 durch Anfrage der Journalisten, die über Hempel berichteten, von dessen Leid erfahren, hatte Buschkow am 30. August 2022 in der F.A.Z. gesagt. „Es wird über Leichen gegangen, egal wie“, hatte Hempel in der ARD gesagt, zu seiner Zeit habe für den DSV nur der Erfolg gezählt. Ende Oktober ist er mit dem Verband einen Vergleich eingegangen: Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro sofort, weitere 300.000 Euro zahlbar in monatlichen Raten über zehn Jahre.
Thomas Kurschilgen, der frühere Leistungssportdirektor, dem der DSV-Vorstand unter dem Präsidenten Marco Troll im März 2021 fristlos kündigte, bekommt ähnlich viel Geld. Vom Kündigungsgrund, angebliche Versäumnisse im Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen gegen den später verurteilten Bundestrainer Stefan Lurz aus Würzburg, ist nichts übrig geblieben. Das haben Wolfgang Rupieper und Kai Morgenroth, die Vizepräsidenten, die den Verband seit Trolls Rückzug im vergangenen Jahr führen, inzwischen schriftlich versichert – in einer Ehrenerklärung. „Man hat dem Mann Unrecht getan“, sagt Wolfgang Hein, der Präsident des Niedersächsischen Schwimmverbands. Im Jahr 2019, im Zeitraum der Vorwürfe gegen Lurz, war Hein Vizepräsident des DSV und sagt zum Umgang mit Kurschilgen: „Aus welchen persönlichen Beweggründen der vorherige Vorstand die Kündigung ausgesprochen hat, erschließt sich mir nicht.“ Jedenfalls sei „unklug“ gehandelt worden. Hein hatte sich 2020, bevor Troll zum Präsidenten gewählt wurde, aus dem DSV-Präsidium zurückgezogen. Für den Bundesverband ist er noch in der „Bäderallianz“ tätig, die sich für bessere, nutzbare Schwimmbäder einsetzt.
Aber, und damit zurück nach Kassel, selbst wenn auch an Lutz Buschkow noch eine sechsstellige Summe – „zwischen eins und zwei wird dabei sicherlich herauskommen können“, sagt Hein – gezahlt werden müsste und sich die Verbindlichkeiten des Verbandes allein aus diesen drei Rechtsstreiten auf mehr als eine Million Euro summieren: Auch der Niedersachse sieht „die grundlegende Zahlungsfähigkeit nicht in Frage“ gestellt. Zumal sich das Bundesinnenministerium an den Zahlungen an Hempel beteiligen sollte, wie er findet: „Für sonstige Opfer der DDR-Regime Zeit gibt es ja auch Töpfe.“ In jedem Fall aber sei sicher: „Der Verband kann keine Sprünge mehr machen.“
Seit Jahren unregierbar
Doch eigentlich müsste der Deutsche Schwimm-Verband eines dringend machen: Sprünge. Große Sprünge. „Der Vorstand hat Prozesse immer wieder verschleppt“, klagte Bernd Berkhahn jüngst in der ARD. Berkhahn trainiert Olympiasieger Florian Wellbrock erfolgreich in Magdeburg, er ist zugleich Chef-Bundestrainer und, abgesehen von (nicht eben vielen) Sportlern, so ziemlich der einzige Name, der im DSV für Erfolg steht. „Es wird strukturell nicht gearbeitet, es wird perspektivisch nicht gearbeitet“, sagte Berkhahn.
Wie auch? Der DSV erscheint seit Jahren notorisch unregierbar, was sich nicht zuletzt in der Tatsache ausdrückt, dass er seit Trolls Rückzug vor rund einem Jahr ohne Präsidenten dasteht. Rupieper und Morgenroth führen den Verband als Vizepräsidenten. Die des Präsidenten ist längst nicht die einzige unbesetzte Stelle. Berkhahn ist Chefbundestrainer bis zu den Spielen in Paris, weil es keinen anderen gibt. Strukturiert und professionell, sagte Berkhahn in der ARD noch, verlaufe die Vorbereitung auf Olympia nicht. Der DSV widersprach. Aber eines wissen alle im deutschen Schwimmen: Bernd Berkhahn könnte anderswo besser verdienen und professioneller arbeiten.
In Kassel soll die Satzung verändert werden, drei Vorstände sollen kommendes Frühjahr eingesetzt werden. Hein sagt, die neue Satzung gehe ihm nicht weit genug. „Man entscheidet sich nicht klar, ob der Vorstand hauptamtlich oder ehrenamtlich tätig sein soll. Wenn ein Verband in der Größenordnung heute etwas beschicken will, muss er zwei hauptamtliche Kräfte dort haben. Wenn das nicht gewollt ist, fehlt mir die Phantasie, um zu sehen, wie der Schwimmsport sich eigentlich verändern kann.“ Die Zeiten, in denen man bundesweite Spitzenverbände ehrenamtlich führen kann, sei vorbei, zumal wenn es um Spitzensport geht. „Wer sechs, acht Stunden im Wasser ist, der ist Profi. Diejenigen, die den Verband an der Stelle steuern, müssen Profis sein. Da können wir uns nicht als Ehrenamtler anmaßen, operativ hineinzusteuern“, sagt Hein.
In Kassel nun sollen, um Löcher zu stopfen oder finanzielle Spielräume zu erweitern, die Lizenzgebühren für Wettkampfschwimmer erhöht werden. Ein neuer Ansatz; in den vergangenen Jahren waren Anträge auf eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge stets gescheitert. Aber ein Finanzierungskonzept im eigentlichen Sinne sei das nicht, kritisiert Hein. Bevor man das erstellen könnte, müsse zunächst definiert werden, welche Stelle wie viel Geld kosten wird: „An alles, was Geld kostet, gehört ein Preisschild. Was kostet dich das, lieber Verband? Was sollen diese Stellen leisten?“ Und: „Davor gehört eine Strukturdebatte und davor gehört die Diskussion, welche Ziele der DSV verfolgt. Was ist daran verkehrt, die Frage zu stellen, wozu ich Schwimmsport brauche? Was ist der gesellschaftliche Mehrwert?“ Die Diskussionen im DSV, sagt Hein, seien immer wieder auf den Leistungssport konzentriert: „Die Laien, so viel, wie sie machen, wollen am liebsten beim Leistungssport mitreden. Wenn es um andere Themen geht, flacht die Diskussion ab.“ Und so perpetuiert sich der Status quo im DSV: Mächtige Landesverbände behalten die Kontrolle. Dabei, sagt Wolfgang Hein, müsste es einen Knall geben. Aber: „Ich habe aufgehört, an die Mitgliederversammlung Erwartungen zu stellen.“